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Gericht: Oberlandesgericht Oldenburg
Urteil verkündet am 04.03.2003
Aktenzeichen: 12 U 36/02
Rechtsgebiete: BGB
Vorschriften:
BGB § 823 | |
BGB § 1612 b |
Auf den Gesamtschaden ist das Kindergeld ungekürzt anzurechnen.
OBERLANDESGERICHT OLDENBURG Im Namen des Volkes! Urteil
Verkündet am 04.03.2003
In dem Rechtsstreit
hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg auf die mündliche Verhandlung vom
18. Februar 2003
durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 13. November 2002 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels geändert.
Die Beklagte wird unter Abänderung des Urteils der 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück vom 31. Januar 1995 (7 O 121/94) verurteilt, an die Klägerin
384,- € für Juni 2001, 399,- € von Juli bis einschließlich Dezember 2001, 384,- € monatlich ab Januar 2002 und 410,- € monatlich vom 23. September 2002
bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des am 14. Juli 1989 geborenen Kindes M... J...
zu zahlen.
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 3/4 und die Beklagte zu 1/4 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Die Klägerin ließ am 29. 1. 1989 in den städtischen Kliniken der Stadt O... einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen. Gleichwohl wurde am 14. Juli 1989 ihr Kind M... geboren. Die Stadt O... - die Rechtsvorgängerin der Beklagten - erkannte ihre Einstandspflicht für den Unterhaltsschaden mit Schreiben vom 08. Januar 1992 an. Sie zahlte der Klägerin als Ersatz den um das hälftige Kindergeld verminderten doppelten Regelunterhalt.
Anfang 1994 stellte die Beklagte die Zahlungen ein, weil das Bundesverfassungsgerichts am 28. Mai 1993 dahin entschieden hatte, dass der Unterhalt für ein Kind rechtlich nicht als Schaden betrachtet werden könne. Die Klägerin erhob daraufhin Klage aus dem Anerkenntnis vor dem Landgericht Osnabrück. Gleichzeitig begehrte sie eine Anpassung des Betrages an die veränderten Verhältnisse. Die 7. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück verurteilte die Beklagte am 31. Januar 1995 u. a. zur Zahlung von monatlich 462,- DM ab Januar 1995. Grundlage war der doppelte Regelunterhalt ( 291,- DM ) abzüglich 1/2 Kindergeld für ein viertes Kind ( 120,- DM ).
Mit ihrer am 23. 9. 2002 erhobenen Klage begehrt die Klägerin eine Erhöhung des zuerkannten Betrages. Sie verweist hierzu auf die Neuregelung in § 1612 b Abs. 5 BGB durch das Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung und zur Änderung des Kindesunterhaltsrechts vom 02. November 2000 (BGBl. I S. 1479) und meint, hiernach müsse die Kindergeldanrechnung entfallen.
Die 2. Zivilkammer des Landgerichts Osnabrück hat die Beklagte am 13. 11. 2002 zur Zahlung rückständiger Beträge ab Juni 2001 und von monatlich 538 € (2 x 269 € = 100 % des Regelbetrages für die dritte Altersstufe ohne Abzug von Kindergeld) ab 1. 4. 2002 verurteilt.
Hiergegen hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Sie macht geltend, das Landgericht habe den Zweck der Neuregelung des § 1612 b Abs. 5 BGB verkannt. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass es um Schadensersatz und nicht um einen familienrechtlichen Unterhaltsanspruch gehe. Aus diesem Grund müsse sich die Klägerin das Kindergeld im Wege der Vorteilsausgleichung nicht nur zu 1/2, sondern in voller Höhe anrechnen lassen. Abgesehen hiervon sei aufgrund der Heirat der Klägerin im Jahre 1998 die soziale Notlage, die seinerzeit Grundlage für eine schadensrechtliche Zurechnung der Unterhaltspflicht gewesen sei, entfallen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit sie verurteilt worden ist, an die Klägerin einen höheren Unterhaltsschaden als
384,- € für Juni 2001, 399,- € von Juli bis einschließlich Dezember 2001 und 384,- € monatlich ab Januar 2002
zu zahlen.
Die Klägerin war in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten. Die Beklagte hat daraufhin Erlass eines Versäumnisurteils beantragt.
Die Akten 7 O 121/94 Landgericht Osnabrück haben dem Senat vorgelegen.
II.
Die Berufung hat lediglich in Höhe der ausgeurteilten Beträge Erfolg. Die Entscheidung beruht daher nur teilweise auf der Säumnis der Klägerin. Zum unbegründeten Teil war - kontradiktorisch - durch unechtes Versäumnisurteil zu entscheiden.
Die Klägerin begehrt eine Erhöhung des als monatliche Unterhaltsrente zu zahlenden Schadensersatzes, der ihr mit der Entscheidung vom 31. 1. 1995 zugesprochen worden ist. Es handelt sich hierbei um eine Abänderungsklage im Sinne von § 323 ZPO. Es geht um die Anpassung der früheren Entscheidung an die geänderten Verhältnisse. Die Frage, ob und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen statt einer Klage nach § 323 eine Nachforderungsklage nach § 258 ZPO möglich ist (vgl. hierzu Zöller/Vollkommer § 323 Rd. 20 ), kann daher auf sich beruhen. Im übrigen würde sie ohnehin daran scheitern, dass die Klägerin ihren Anspruch aus dem Anerkenntnis, der auch hier Streitgegenstand ist, im Vorprozess nicht nur teilweise, sondern insgesamt geltend gemacht hat.
Für die Zeit vor Rechtshängigkeit - also für die Zeit bis einschließlich September 2002 - ergibt sich der Erfolg des Rechtsmittels bereits aus § 323 Abs. 3 S. 1 ZPO. Insoweit war daher nach den Berufungsanträgen der Beklagten zu erkennen.
Eine Abänderung für den vor Rechtshängigkeit liegenden Zeitraum kann die Klägerin nicht beanspruchen. Die Ausnahmevorschrift des § 323 Abs. 3 S. 2 ZPO betrifft Ansprüche aus gesetzlichen Unterhaltspflichten. Diese sind nicht Gegenstand des Verfahrens. Die Tatsache, dass der Klageerhebung ein Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe vorausgegangen ist, führt ebenfalls nicht zu einer Vorverlagerung des Zeitpunkts für eine Abänderung (BGH NJW 1982, 1050; NJW 1982, 1812, 1813; FamRZ 1984, 355; OLG Bamberg FamRZ 1993, 66; aA Zöller/Vollkommer § 323 Rd. 35 mit w. Nachw.). Zwar wird aus der Gleichstellung der Übersendung eines Prozesskostenhilfegesuchs mit den Wirkungen der Klageerhebung in § 204 Abs. 1 Nr. 14 BGB (nF) abgleitet, dass auch für den Zeitpunkt der Abänderung eine Rückwirkung stattfinden müsse (vgl. Zöller/Vollkommer aaO). Dieser Ansicht ist jedoch nicht zu folgen. Die Änderung der materiellrechtlichen Vorschriften betrifft ausschließlich die Verjährungshemmung. Daraus lässt sich für die hier in Rede stehende prozessuale Frage nichts herleiten. Da der Gesetzgeber in Kenntnis der bereits seit längerem bekannten Kritik an der Rückwirkungssperre bei der umfassenden Novellierung des materiellen Rechts und des Prozessrechts die bisherige Regelung beibehalten hat, kann hieraus nur der Schluss abgeleitet werden, dass eine entsprechende Änderung nicht beabsichtigt war. Es würde die Grenzen der den Gerichten möglichen Gesetzesauslegung überschreiten, eine andere Wertung an die Stelle der vom Gesetzgeber zu treffenden Entscheidung zu setzen. Im übrigen besteht hierfür auch kein Bedürfnis. Ein prozeßkostenarmer Kläger kann durch die eine sofortige Zustellung ermöglichende Regelung des § 65 Abs. 7 Nr. 4 GKG einen hinreichenden Rechtsschutz erlangen. Einen entsprechenden Antrag hat die Klägerin indes nicht gestellt.
Für die Zeit ab Rechtshängigkeit kann die Klägerin lediglich eine Anpassung der bisherigen Schadensrente auf monatlich 410,- € beanspruchen.
Das Landgericht geht im rechtlichen Ansatz zutreffend davon aus, dass eine wesentliche Änderung der für die Schadensbemessung maßgeblichen Verhältnisse eingetreten ist. Das Urteil vom 31. 1. 1995 muss daher an die neuen Verhältnisse angepasst werden.
Diese Änderung kann allerdings nicht - wie es der Klägerin vorschwebt und auch vom Landgericht für richtig gehalten wird - aus der Neufassung von § 1612 b Abs. 5 BGB abgeleitet werden. § 1612 b Abs. 5 BGB betrifft ausschließlich die Rechtsbeziehungen zwischen den Eltern und hat mit dem hier in Rede stehenden Schadensersatzanspruch und der weiteren Frage, wie das staatliche Kindergeld auf den von der Beklagten anerkannten Betrag zu verrechnen ist, nichts zu tun.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, an der sich die Beklagte seinerzeit bei ihrem Anerkenntnis orientiert hat und die Grundlage der abzuändernden Entscheidung war, bemisst sich die Höhe des in Rede stehenden Unterhaltsschadens grundsätzlich nach dem Betrag, der für das notwendige Auskommen des Kindes objektiv erforderlich ist, und zwar unabhängig von den individuellen Lebensverhältnissen. Bei der Bemessung dieses Schadens hat sich die Rechtsprechung in den grundlegenden Entscheidungen an den Sätzen des Regelunterhalts nach der früheren Regelunterhaltsverordnung orientiert und unter Einbeziehung des Betreuungsbedarfs in einer typisierenden Betrachtung den doppelten Satz als angemessenen Schadensersatz zuerkannt (BGHZ 76, 259, 268, 271, 272; BGHZ 124, 128, 145, Urteil vom 04. März 1997, NJW 1997, 1638, 1640; Palandt/Heinrichs Vorb. § 249 BGB Rdn. 48 c; MüKo/Oetker § 249 BGB Rdn. 34). Hierauf ist das Kindergeld anzurechnen, und zwar in voller Höhe. Denn bei dem Anspruch auf Zahlung des staatlichen Kindergelds handelt es sich um einen Vorteil, der durch die zum Schadensersatz verpflichtende Handlung ausgelöst worden ist. Dieser Vorteil betrifft nicht nur den Teil des Schadens, der auf den Barbedarf zu verrechnen ist, sondern ebenso den Betreuungsanteil. Auch insoweit findet durch das Kindergeld eine finanzielle Entlastung statt.
Von diesen rechtlichen Vorgaben sind die Parteien seinerzeit bei dem Anerkenntnis insoweit abgewichen, als sie das Kindergeld nur zu 1/2 angerechnet haben. Dabei haben sie sich offenbar an §§ 1615f, 1615g a.F. BGB orientiert, der eine Verrechnung des Kindergelds zu 1/2 auf den als Barunterhalt zu zahlenden Regelunterhalt vorsah.
Zweck der §§ 1615f, 1615 g a. F. BGB war es, den zur Zahlung des Barunterhalts verpflichteten Elternteil von seiner Unterhaltspflicht insoweit zu entlasten, als der Barbedarf bereits durch die staatliche Sozialleistung gedeckt war. Diese - seinerzeit auf den Regelunterhalt beschränkte - Verrechnungsweise ist zwar in die Neufassung des § 1612b Abs. 1 BGB durch das KindUG vom 6. 4. 1998 übernommen worden. Gleichzeitig ist aber durch den Wegfall der §§ 1610 Abs. 3, 1615f BGB a. F. die Möglichkeit für das Kind, ohne weiteren Nachweis den Regelbarfssatz nach der jeweils gültigen Regelunterhaltsverordnung zu verlangen, entfallen. Der frühere Regelbedarf hat damit eine neue Bedeutung erhalten. Die bis 1998 geltende Regelunterhaltsverordnung konkretisierte den Regelunterhalt, der in § 1615 f Abs. 1 S. 2 BGB a. F. als der Betrag umschrieben wurde, der "zum Unterhalt eines Kindes, das sich in der Pflege seiner Mutter befindet, bei einfacher Lebenshaltung" erforderlich war. Diese Vorschrift und den darauf verweisenden § 1610 Abs. 3 BGB a. F. hat der Gesetzgeber ersatzlos gestrichen. Statt dessen ist in § 1612a BGB lediglich der Regelbetrag normiert, der abweichend zur früheren Rechtslage nicht mehr den Anspruch eines bedarfsdeckenden Mindestbetrages erhebt und anerkanntermaßen auch nicht genügt, um das sozialhilferechtliche Existenzminimum eines Kindes zu gewährleisten (Schumacher/Grün FamRZ 1998, 778, 780). Damit hat sich für den familienrechtlichen Unterhaltsanspruch die Bedeutung der Regelbetragsverordnung auf eine bedarfsunabhängige Rechengröße für den jeweils individuell zu bestimmenden Kindesbedarf reduziert (Schumacher/Grün FamRZ 1998, 778; Palandt-Brudermüller 61. Aufl. § 1612a Rn. 1; Gerhardt in Handbuch Fachanwalt Familienrecht 4. Aufl. Kap. 6 Rn. 14). Der Regelbetrag legt nicht mehr den Mindestkindesunterhalt fest (MüKo/Born § 1612b BGB Rdn. 91). Soweit im Anschluss an diese Neuregelung mit dem Gesetz v. 2. 11. 2000 § 1612b Abs. 5 BGB - aus dem die Klägerin ihr Abänderungsverlangen ableiten will - geändert worden ist, hat sich an dieser Systematik nichts geändert. Diese Vorschrift regelt vielmehr nur das Ausgleichsverhältnis der Eltern untereinander und wirkt sich damit nur mittelbar auf das Unterhaltsverhältnis des Kindes aus (MüKo/Born § 1612b BGB Rdn. 93). Insbesondere enthält er keine Bedarfsuntergrenze (BGH NJW 2002, 1269; Palandt/Diederichsen § 1612a BGB Rdn. 3).
Aus den geänderten Vorschriften zum familienrechtlichen Unterhaltsanspruch des Kindes und der dort vorzunehmenden Verrechung des staatlichen Kindergelds zwischen den Eltern lässt sich daher für die Frage, in welchem Umfang das Kindergeld auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen ist, nichts ableiten. Die Verrechnung des Kindergeldes geschieht dort nach Grundsätzen, die mit der hier in Rede stehende Vorteilsausgleichung im Rahmen eines Schadensersatzanspruches nichts zu tun haben.
Dies führt allerdings nicht zu einer Abweisung der Klage. Denn die für die Bemessung des Schadensersatzanspruchs maßgeblichen Verhältnisse haben sich aus anderen Gründen und damit unabhängig von der Neuregelung des § 1612b Abs. 5 BGB in einer Weise verändert, dass die Klägerin eine Anpassung beanspruchen kann.
Zur Bemessung des unterhaltsrechtlichen Barbedarfs, der als Orientierung auch für den schadensersatzrechtlichen Bedarf zur Unterhaltung des Kindes der Klägerin heranzuziehen ist, hat sich seit Erlass der Entscheidung des Landgerichts vom 31. 1. 1995 ein grundlegender Wertewandel vollzogen, und zwar sowohl im Unterhaltsrecht (vgl. BTDrs. 14/3781 S. 7) als auch im Steuerrecht (BVerfG Beschlüsse vom 10. November 1998 2 BvR 1220/93 NJW 1999, 565; 2 BvL 42/93 NJW 1999, 561; § 32 Abs. 6 S. 1 EStG). Diese geänderte Auffassung zum notwendigen Bedarf eines Kindes muss auch Einfluss auf die Bewertung eines Unterhaltsschadens haben und ist im Abänderungsverfahren zu beachten (vgl. Zöller/Vollkommer § 323 ZPO Rn. 32). Dabei scheidet eine völlige Neubewertung des Unterhaltsschadens allerdings aus. Die Grundlagen des vorhandenen Titels und der zwischen den Parteien bestehenden Vereinbarung müssen gewahrt bleiben.
Hiernach ergibt sich folgendes:
Die Parteien haben seinerzeit eine dynamisierte Unterhaltsrente vereinbart und sich dabei am damaligen Regelunterhalt orientiert. Es bietet sich daher an, jedenfalls für die rechnerische Grundlage auf die Nachfolgeregelung zurückzugreifen und die Regelbeträge aus der Regelbetragsverordnung heranzuziehen. Durchgreifende Bedenken, unterhaltsrechtliche Beträge für die Bewertung des hier in Rede stehenden Schadens zu übernehmen, bestehen nicht (vgl. auch Luthin/Schumacher Handbuch des Unterhaltsrechts Rn. 3151). Dies entspricht der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Gerechtfertigt ist dies durch die allgemein akzeptierten Parallelen zwischen beiden Rechtsgebieten. Zudem dient es der Einheitlichkeit und Klarheit bei der Bemessung des Schadens. Die Tatsache, dass die Regelbetragsverordnung - wie dargelegt - unterhalthaltsrechtlich eine andere Bedeutung als die frühere Regelung hat, steht dem ebenfalls nicht entgegen. Auch wenn sie keinen Mindestbedarf definiert, so gibt sie doch einen Anhalt dafür, von welchen Werten bei der Berechnung des Unterhalts für ein Kindes im Ansatz auszugehen ist. Ein weiterer Orientierungspunkt ergibt sich aus dem sozialhilferechtlichen Bedarf eines Kindes. Dieser Betrag, der ebenso wie der Regelbetrag notwendigerweise auf einer typisierenden Betrachtungsweise beruht (BGHZ 76, 268), ist ebenfalls geeignet, annäherungsweise das Existenzminimum zu bestimmen (BVerfG Beschluss vom 25. September 1992, NJW 1992, 3153, 3154).
In Anlehnung an das, was in durchschnittlichen Fällen im Unterhaltsrecht weitgehend als unterste Grenze für den Barbedarf akzeptiert wird, bemisst der Senat den zur Deckung des Barbedarfs erforderlichen Schadensersatz auf 135 % des Regelbetrages nach der jeweiligen Altersstufe (für den Unterhaltsanspruch vgl. Gerhardt Handbuch Fachanwalt Familienrecht 3. Aufl. Kap. 6 Rn. 144a; ders. FamRZ 2001, 43; Graba FamRZ 2003, 129, 131; Staudinger/Engler § 1610 BGB Rn. 11; Eschenbruch/Wohlgemuth Der Unterhaltsprozeß 3. Aufl. Rn. 3172; OLG München FamRZ 2002, 52; OLG Stuttgart FamRZ 2000, 376). Zwar liegt der sich hiernach jeweils rechnerisch ergebende Betrag geringfügig über dem durchschnittlichen Bedarf eines Kindes nach dem Existenzminimumsbericht der Bundesregierung (vgl. BTDrs. 14/1926 S. 5). Dieser Bericht geht aber (notwendigerweise) von gewichteten Durchschnittswerten aus, die sich nicht unmittelbar auf die tatsächlichen Verhältnisse übertragen lassen. Zudem wird der Regelbetrag nur in einem zweijährigen Rhythmus festgesetzt, wodurch sich die rechnerisch ergebenden Differenzen im Laufe der Zeit verringern. So beträgt der für das Jahr 2002 ermittelte durchschnittliche Sozialhilfebedarf eines Kindes 303,- € monatlich (BTDrs. 14/7765 S. 5) und liegt damit nur noch um 5,- € unterhalb von 135 % des Regelbetrages der zweiten Altersstufe. Im übrigen - und insoweit hat die Argumentation der Klägerin durchaus ihre Berechtigung - ist aus der Neufassung des § 1612b Abs. 5 BGB zweifelsohne der Wille des Gesetzgebers zu entnehmen, dass ein Betrag in dieser Größenordnung als Minimum zur Deckung des Barbedarfs eines Kind zur Verfügung stehen soll.
Hiernach entfallen auf den sächlichen Bedarf des Kindes derzeit 364,- €.
Neben dem Anteil des Schadens, der auf den Barbedarf entfällt, muss auch der Zuschlag neu bewertet werden, der für den Betreuungsbedarf zu machen ist.
Die Parteien haben sich seinerzeit bei der Bemessung des Betreuungsbedarfs am Barbedarf orientiert und diesen hiermit gleichgesetzt. Hieraus folgt aber nicht, dass auch für diesen Teil des Schadens 135 % des Regelbetrags anzusetzen sind. Denn die Gesichtspunkte, die für die Neubemessung des Barbedarfs maßgeblich sind, gelten nicht in gleicher Weise für die Betreuungsleistungen. Aus § 1606 Abs. 3 S. 2 BGB, der die Betreuung als vollwertigen Unterhaltsbeitrag neben den Barbedarf stellt, kann dies ebenfalls nicht abgeleitet werden. Diese Vorschrift regelt lediglich das Verhältnis mehrerer Unterhaltsverpflichteter untereinander. Die Prinzipien einer als proportional gleiche Belastung zu verstehenden Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt (Palandt/Diederichsen § 1606 BGB Rdn. 8) lassen sich nicht auf das von anderen Kriterien beherrschte Schadensersatzrecht übertragen. Der Wert pflegerischer Dienstleistungen kann über den Barbedarf hinausgehen, aber auch hinter diesem zurückbleiben.
Der Senat sieht es aus praktischen Erwägungen allerdings als sachgerecht an, ebenso wie beim Barbedarf auf die Regelbetragsverordnung als Rechengröße zu orientieren. Hiernach ergibt sich in der dritten Altersstufe ein Betrag von 269,- €. Hochzurechnen auf 135 % ist dieser Betrag jedoch nicht. Die prozentuale Hochrechnung beruht - wie dargelegt-, auf geänderten Wertungen zum sachlichen Existenzminimum eines Kindes. Diese Gesichtspunkte lassen sich nicht auf eine schadensrechtliche Bewertung des Betreuungsbedarfs übertragen.
Bei der gebotenen Anpassung dieses Zuschlags ist das gestiegene Alter des Kindes zu beachten. Der für die Betreuung vorzunehmende Zuschlag zum Barbedarf muss sich schadensrechtlich an dem tatsächlich zusätzlich notwendigen Betreuungsaufwand orientieren. Dieser Aufwand ist sowohl vom Alter als auch der konkreten Familiensituation abhängig. Während bei kleinen Kindern der Regelbetrag unter Umständen der tatsächlichen Belastung nicht gerecht wird, wird bei älteren Kindern in durchschnittlichen Fällen ein unter dem Regelbetrag der letzten Altersgruppe liegender Betrag angemessen sein.
Der Obliegenheit eines Kindes zur Mithilfe im Haushalt (§ 1619 BGB) kommt mit zunehmendem Alter eine größere Bedeutung zu und führt für die Eltern an anderer Stelle zu einer teilweisen Entlastung. Es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass sich der für die Betreuung eines Kindes notwendige Aufwand aufgrund wachsender Selbständigkeit bis hin zum Eintritt der Volljährigkeit kontinuierlich vermindert. Die damit abnehmende Beanspruchung der Eltern findet im Unterhaltsrecht ihren Niederschlag durch die bereits bei einem etwa 8 Jahre alten Kind einsetzende Obliegenheit zur Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils. Würde man diesen Gesichtspunkt außer Acht lassen und die von der Klägerin angestrebte Gleichsetzung von Bar- und Betreuungsaufwand vornehmen, würde dies dazu führen, dass gegenläufig zu der tatsächlichen Entwicklung die Betreuung bei der Schadensbemessung ein umso größeres Gewicht erhält, je älter das Kind wird. Aus guten Gründen hat der Bundesgerichtshof daher ausgeführt, dass der Zuschlag für die Betreuung nicht zwingend die Höhe des Regelunterhalts erreichen muss (BGHZ 76, 259, 271).
In Anbetracht der Tatsache, dass das Kind der Klägerin inzwischen 13 Jahre alt ist, hält es der Senat für angemessen, vom Regelbetrag der 3. Altersstufe einen Abschlag von 1/4 vorzunehmen, so dass sich der für den Betreuungsbedarf angemessene Zuschlag auf rund 200,- EUR beläuft.
Auf den sich damit für Bar- und Betreuungsaufwand ergebenden Gesamtbetrag von 564,- EUR muss sich die Klägerin das Kindergeld als Vorteilsausgleichung in voller Höhe von derzeit 154,-EUR anrechnen lassen, so dass sich der von der Beklagten ab Rechtshängigkeit der Abänderungsklage zu leistende Schadensersatz auf monatlich 410,- EUR beläuft.
Die Bemessung des Schadens ist auf einer völlig neuen Grundlage vorgenommen worden, so dass bei der nach Treu und Glauben vorzunehmenden Anpassung an die veränderten Umstände auch hinsichtlich der vereinbarten hälftigen Anrechnung des Kindergeldes keine Bindung mehr an das seinerzeitige Anerkenntnis besteht.
Die an der gesetzlichen Regelung der §§ 1615 f, g, BGB a.F. orientierte Anrechnung nur des halben Kindergeldes ist seinerzeit sachlich geboten. Sie beruhte jedoch darauf, dass der Regelunterhalt entgegen der gesetzlichen Definition hinter dem tatsächlichen Existenzminimum zurückblieb (Schumacher/Grün FamRZ 1998, 778). Spätestens mit der Neufassung des Kindergeldrechts zum 01. Januar 1996 durch ein System aus Steuererstattung und staatlicher Sozialleistung war auf diesem Weg die Leistung des sächlichen Existenzminimuns stets gewährleistet. Dieses wird praktisch in allen Fällen durch den um das halbe Kindergeld aufgestockten Regelbetrag erreicht. Die Funktion des Kindergeldes beschränkte sich nach § 32 Abs. 6 S. 3 EstG in der Fassung des Jahressteuergesetzes vom 11. Oktober 1995 (BGBl. I. 1250) zunächst nur auf die Steuerfreistellung beim sächlichen Existenzminimum und erstreckt sich erst seit dem 01. Januar 2001 auch auf die Entlastung beim Betreuungsbedarf.
Da der Senat bei der Bemessung des Schadens auf die Höhe des sächlichen Existenzminimums abgestellt hat, ist der sachliche Grund für eine nur teilweise Anrechnung von Kindergeld entfallen. Es würde zu einer unberechtigten Bevorzugung der Klägerin führen, wenn sich die Beklagte weiterhin an der vor einem anderen rechtlichen Hintergrund akzeptierten hälftigen Anrechnung des Kindergeldes festhalten lassen müßte.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 97, 708 Nr. 2, 10, 713 ZPO.
Es bestehen keine Gründe, die Revision zuzulassen.
Ende der Entscheidung
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